Die weitgehende Straffreiheit der Assistenz beim Suizid kann kaum isoliert gesehen werden von den anerkannten Normen einer Gesellschaft. Die Befürchtung, dass diese Art zu Sterben ein Regelfall werden kann, bezieht sich nicht nur auf die kirchlichen Einrichtungen, sondern auf den Blick der gesamten Gesellschaft auf Sterben, Krankheit und Tod. Dem wollen die Gegner der Suizid-Assistenz klar entgegentreten. Oft wird von der Gefahr eines "Dammbruchs" gesprochen und der Möglichkeit, dass der Assistierte Suizid zu einer "definierten Handlungsoption" werden könnte.
Kein Mensch soll sich dafür rechtfertigen müssen, weiterleben zu wollen. Wenn von der Gesellschaft das freiwillige Sterben als leichtere Alternative zum natürlichen Tod angesehen wird, könnten sich Alte und Kranke dazu gedrängt fühlen, über Suizid nachzudenken. Die grundsätzliche Erlaubnis zum Assisiterten Suizid könnte zu einer Forderung werden. Denn die Pflege ist aufwendig und teuer, die Perspektive auf den Rest ihres Lebens aus der Sicht Außenstehender nicht gut.
Wenn kirchlich-diakonische Einrichtungen dann Assistierten Suizid als Möglichkeit in Erwägung zögen, bestünde die Gefahr, "dass dieser Weg letztendlich zum gesellschaftlich akzeptierten Weg des Sterbens wird", sagte der Theologe Dieter Kaufmann, Mitglied des Rates der EKD und früher Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Württemberg. Es gebe "dahingehend manchmal einen hohen Druck, teilweise auch aus wirtschaftlichen Gründen". Assistierter Suizid habe aber nichts mit Selbstbestimmung zu tun, sondern resultiere aus empfundener Ausweglosigkeit.
Wie tritt man einer solchen Gefahr der Routine entgegen?
Im christlichen Glaubensverständnis muss es immer um den Wert des Lebens an sich gehen, der in der Würde des Menschen begründet ist und weder nach christlichem Verständnis noch nach dem deutschen Grundgesetz weggenommen darf und kann; der Fachbegriff lautet: unveräußerbar.
Es bedarf - neben der lebensbejahenden Grundeinstellung einer Einrichtung - geschulter Pflegekräfte, einer individuellen Sichtweise und geeigneter Umstände (also Zeit!) für die Betreuung von Menschen, die schwer oder unheilbar erkrankt sind. All dies aufzubringen fordert die gesamte Gesellschaft. Ein neues Gesetz wird zwar den Rahmen vorgeben, in dem assistierter Suizid möglich ist. Seine Anwendung allerdings sollte in klaren ethischen Grundsätzen gefasst sein.
Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm betont wie viele seiner Kollegen, dass alle Möglichkeiten der palliativen Begleitung und auch der Seelsorge ausgeschöpft werden müssten. Denn oft entspringt der Wunsch nach begleitetem Suizid dem Unwissen über diese Möglichkeiten. Dazu sei es auch nötig, die geeigneten Rahmenbedingungen für Pflegende zu schaffen.